Interview PM: Einblicke in das Produktmanagement

Interview PM: Einblicke in das Produktmanagement

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Die Entwicklung eines Produktes, das dem Schutz von Menschen dient, ist sehr komplex. An vielen Produkten der Marke Dräger hängt die Gesundheit oder sogar das Leben der Nutzer. Aus diesem Grund haben wir eine Produktmanagerin aus Lübeck gefragt, was die Produkte der Marke Dräger auszeichnet und welche Faktoren bei der Entwicklung oder Verbesserung des Portfolios eine wesentliche Rolle spielen. Viel Spaß bei diesen exklusiven Einblicken wünscht das Dräger-Online-Shop-Team:


Produktmanager Eva

Shop.draeger: Sie sind Produktmanagerin für Schutzanzüge. Berichten Sie doch kurz, wo die Schutzanzüge von Dräger zum Einsatz kommen!

PM: Chemikalienschutzanzüge kommen überall dort zum Einsatz, wo Anwender einen Körperschutz gegen aggressive Substanzen benötigen, die in unterschiedlichen Aggregatzuständen (fest, flüssig oder gasförmig) vorliegen können.

Ein Einsatzbereich, wo sowohl Atem- als auch Körperschutz notwendig ist, wäre beispielsweise die Asbestbeseitigung. Die kleinen Asbestfasern können sowohl über die Atmung als auch über die Haut aufgenommen werden. Vor allem, wenn man schwitzt und sich die Hautporen weiter öffnen, kann die Asbestfaser den Menschen gefährden.

Andere Einsatzbereiche von Schutzanzügen sind beispielsweise die chemische Industrie, Einsatz bei der Feuerwehr, Kläranlagen, pharmazeutische Industrie und vielen weiteren industriellen Aufgaben. Bei diesen Kunden werden Anzüge oft bei Um- und Abfüllarbeiten als auch bei Wartungsarbeiten genutzt. Feuerwehren nutzen sie primär während Gefahrstoffeinsätzen oder zur Dekontamination.

Shop.draeger: Verschiedene Anwendungsgebiete bedeuten vielseitige Anforderungen an Dräger Anzüge?

PM: Ganz genau, der Anwender muss natürlich zum einen den notwendigen und zugleich den bestmöglichen Schutz erhalten. Um die unterschiedlichen Anforderungen der Kunden an einen Anzug abzudecken, bietet Dräger verschiedene Anzug-Designs sowie diverse Materialien mit unterschiedlichen Schutzstufen an.

Für risikoarme Anwendungen (z.B. im Umgang mit Infektionserregern oder Stäuben) bieten wir den kosteneffizienten Schutzanzug Dräger SPC 4400 CPM an. Damit eine höchstmögliche Anzahl an Personen diesen tragen kann, bieten wir ihn in sechs Größen an. Alternativ, wenn ein sehr hoher Chemikalienschutz benötigt wird, ist der Dräger SPC 4400 CLF die richtige Wahl – ebenso in sechs Größen erhältlich.

Shop.draeger: Ist es überhaupt noch zeitgemäß in kontaminierte Bereiche echte Menschen zu schicken? Warum wird hier nicht mit Robotern gearbeitet?

PM: Es kommt immer auf den Bereich und die Applikation an und inwieweit die Firma bereits in Themen wie Automatisierung investiert hat. Die initiale Investition können sich viele Firmen nicht leisten, um alles komplett ohne Personen durchführen zu können. In vielen Ländern sind die Arbeitskräfte so günstig, dass sich solch eine Investition noch nicht lohnt – leider.

Aber natürlich gibt es bereits viele Firmen, wo tatsächlich nur noch Maschinen die Arbeiten, wie beispielsweise Umfüllen/ Befüllen von Chemikalien durchführen. Auch hier werden trotzdem Menschen benötigt, die am Ende die Maschinen einrichten, reparieren und warten müssen. Genauso, wenn es zu Notfalleinsätzen kommt: hier muss immer schnell und sehr individuell agiert werden können. Diese Entscheidungen können aktuell nur Menschen treffen. Das heißt, dass solche Arbeiten auch in der Zukunft nicht durch Maschinen übernommen werden können, daher haben Menschen in Schutzanzüge heute als auch morgen Relevanz.

Shop.draeger: Schutzanzüge haben also noch immer Ihre Berechtigung. Was sind die wichtigsten Kriterien bei der Entwicklung und Fertigung eines modernen Schutzanzuges?

PM: Bei der Entwicklung von Schutzanzügen steht als Hauptkriterium natürlich der Chemikalienschutz im Vordergrund, der über das Anzugmaterial selbst und ggf. über weitere Komponenten abgedeckt wird. Weiterhin ist der Komfort beim Tragen wichtig, der über das Anzugs-Design erreicht werden kann (z.B. optimierte Anzugschnitte, zusätzliche Ventilation im Anzug oder leises Material).

Weitere sicherheitsrelevante Aspekte, wie beispielsweise eine höhere mechanische Festigkeit des Anzugsmaterials, aber auch die Vorkonfiguration von Anzügen mit Komponenten, wie Handschuhen oder Sockenstiefeln, minimieren die Risiken und erhöhen die Sicherheit der Anwender.

Die Fertigung unserer Schutzanzüge besteht zum Teil noch aus Handarbeit, um höchsten Qualitätsansprüchen gerecht zu werden. Kein Anzug verlässt unser Werk, ohne dass dieser zu 100 % überprüft wird. Das ist entscheidend bei Produkten, die Menschen schützen sollen.

Shop.draeger: Werden Ihre Produkte vor dem Einsatz in der realen Arbeitswelt getestet? Wie sehen solche Tests aus und worauf legen Sie besonderen Wert?

PM: Wie eben erwähnt müssen alle Produkte vor der Markteinführung auf Herz und Nieren überprüft werden. Sei es, ob der Chemikalienschutz ausreichend oder der Tragekomfort gegeben ist: Er muss die hohen Qualitätsansprüche bei Dräger bestehen. Dazu werden vorab auch intern in unserem hauseigenen Labor und Prüffeld Messungen sowie Tests durchgeführt.

Bei sog. Permeationstests wird das Anzugmaterial beispielsweise mit Chemikalien beaufschlagt und über sehr feine Sensoren gemessen, in welcher Konzentration und Zeit die Chemikalien das Material „durchbrechen“. Um die mechanischen Eigenschaften von Schutzanzügen zu bestimmen, werden Tests, wie z.B. Nahtfestigkeit, Durchstich- oder Abriebfestigkeit (u.a.) durchgeführt.

Im Rahmen der Zulassung werden eine ganze weitere Reihe von Tests gemacht: Praktische Tests, Material- und Performance Tests und es wird natürlich die komplette Hersteller-Dokumentation bis aufs Kleinste überprüft, sodass am Ende alle zugesicherten Produkteigenschaften sichergestellt werden können.

Shop.draeger.com: Wie wird sich der Markt für Schutzanzüge entwickeln? Welches Potenzial sehen Sie und was sind die größten Herausforderungen?

PM: Generell ist das Potenzial an Schutzkleidung in der Welt sehr groß, das Wachstum dagegen ist von zu vielen Faktoren abhängig, als dass man das verallgemeinern kann.

Beispielsweise die wachsende Weltbevölkerung, steigende Automatisierung, aber auch ein stärkeres Sicherheitsbewusstsein, um Mitarbeiter zu schützen - gerade in Ländern, wo dieser Schutz lange kein Thema war. Dem gegenübergestellt befinden sich steigende Anforderungen an den Schutz für persönliche Schutzausrüstung der Mitarbeiter. Aber am Ende kann eine große Pandemie, wie wir es in den letzten Jahren bei „Corona“ erlebt haben, alles durcheinanderbringen und alle vorherigen Bedarfe, Prognosen und auch Einsatzgebiete werden dabei auf den Kopf gestellt.

Shop.draeger: Was fasziniert Sie persönlich am Portfolio der Dräger Schutzanzüge? Was treibt Sie persönlich an?

PM: Im Portfolio der Schutzanzüge wird es nie langweilig, es gibt immer wieder neue Trends und Impulse. Wir probieren, den Schutz der Anwender stetig zu erhöhen und zu verbessern. Wie schon erwähnt, werden Schutzanzüge in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt. Für die große Masse an Bereichen passende Schutzanzüge zu entwickeln, ist eine knifflige Herausforderung, die mich täglich antreibt.

Am Ende spiegelt auch dieses Portfolio den Leitsatz von Dräger „Technik für das Leben“ wider und das macht mich persönlich stolz, dass ich hier - im kleinen Rahmen- etwas dazu beitragen kann.

Shop.draeger: Wie stellen Sie sicher, dass Ihnen nicht die Innovationen ausgehen? Woran orientieren Sie sich, was inspiriert Sie?

PM: Zum einen haben wir sehr enge Kundenbeziehungen und probieren die applikationsspezifischen Bedarfe im Blick zu behalten. In einigen Fällen waren wir genau deswegen der Vorreiter bei Innovationen. Gemeinsam mit einem globalen Kunden haben wir einen sehr spezifischen Anzug für Ex-Bereiche entwickelt. Heutzutage haben viele unserer globalen Wettbewerber genau dieses Feature ebenfalls mit in ihr Portfolio aufgenommen.

Am Ende haben wir immer unseren Dräger Systemgedanken für unsere Kunden im Blick und probieren die Produkte und Neuerungen im gesamten Kontext zu berücksichtigen.

Shop.draeger: An welchem Produkt haben Sie zuletzt gearbeitet und warum?

PM: Wir haben in den letzten 2-3 Jahren unser komplettes Spritzschutz-Portfolio erneuert. Dabei haben wir zwei sehr innovative Anzugmaterialien (CLF/CPM) eingeführt und darüber hinaus weitere Modelle mit aufgenommen, um noch besser auf die spezifischen Anforderungen von Kunden eingehen zu können.

Shop.draeger: Wie sieht das Verhältnis von der Erfindung gänzlich neuer Produkte zu Verbesserungen an bestehenden Anzügen aus?

PM: Die Materialentwicklung ist ein sehr langwieriger Prozess, der auch mal Jahrzehnte dauern kann. Das Hauptaugenmerk liegt daher in der Regel auf den Materialien, wenn es um Innovationen geht. Das Design kann dagegen viel schneller angepasst bzw. geändert oder optimiert werden - Materialien nicht.

Shop.draeger: Wird immer verbessert oder ist auch das Ausphasen eines Produktes Thema? Wann und wie wird eine solche Entscheidung getroffen?

PM: Im Rahmen von neuen innovativen Schutzanzug-Materialien haben wir zuletzt tatsächlich eine ganze Reihe von „alten“ Schutzanzug ausgephast. Die Serie der SPC 4X00 löste die Serie ProtekPlus und die SPC 3X00 Reihe seit 2020 kontinuierlich ab. Darüber hinaus probieren wir natürlich auf Kundenbedürfnisse einzugehen. Hier entwickeln wir auch neue Anzug-Variationen, die genau auf die Kundenapplikation abgestimmt sind.

Vielen Dank für den spannenden Ausflug in die Entwicklung der Schutzanzüge bei Dräger.

Neue und bestehende Produkte finden Sie über den Shop oder unser Kontaktformular !

Zur Übersicht an Schutzanzügen geht es hier .